daran gewesen sein, die er wohl 1495 aus Ne- apel mitgebracht hatte. Karl starb mit 27 Jah- ren an einem Unfall. Franz I. (1494 – 1547), König ab 1515, infizierte sich vielleicht schon in jungen Jahren mit der Syphilis, die ihn bis zu seinem Tode mit 53 Jahren verfolgte – bis zum Stadium IV mit tabischen Krisen. Syphilis: Ursache für zahl- reiche Ehen? Durch ihn hatte die Syphilis wohl den nach- haltigsten Einfluss auf die Geschichte: König Heinrich VIII. von England (1491 – 1547). Sie gilt als Ursache für die zahlreichen Ehen, bedingt durch Totgeburten seiner Ehefrau- en, vermutlich auch für Heinrichs körperli- chen und geistigen Verfall – und letztlich ist auch die anglikanische Kirche eine Folge von Heinrichs Syphilis. Heinrichs erste Frau, Katharina von Ara- gon, die er 1509 heiratete, war sechsmal schwanger. Fünf Schwangerschaften endeten mit Tot- oder Fehlgeburten, darunter drei Jungen. Nur 1516 brachte sie eine lebende Tochter zur Welt, Mary, später „die Blutige“ genannt, wohl mit einer angeborenen Syphi- lis (Lues connata). Da er mit Katharina ohne Thronfolger blieb, ließ sich Heinrich schei- den, heiratete 1533 seine Geliebte Anne Bo- leyn – die bei der Hochzeit bereits schwanger war - gegen den Willen des Papstes und von diesem gebannt, löste sich deshalb von Rom und machte sich selbst zum Oberhaupt ei- ner neuen Kirche, zog alle Kirchengüter ein und ließ alle köpfen, die das nicht billigten. Ihre Tochter Elisabeth, die im gleichen Jahr geboren wurde, prägte ein ganzes Zeitalter, heiratete aber nicht und blieb kinderlos. Die nächsten beiden Kinder Annes wären Söhne gewesen, starben aber bei der Geburt. Diese Folge von Heinrichs Syphilis wurde der Königin zum Verhängnis. 1536 ließ er sie köpfen und heiratete einen Tag später Jane Seymour, die 1537 den ersehnten Thronfol- ger Edward VI. zur Welt brachte, aber im Kindbett starb. Edward war zart, kränklich und starb bereits mit 16 Jahren, vielleicht auch mit einer Lues connata. Heinrich heiratete noch dreimal: Von der ersten Frau ließ er sich scheiden, die zweite ließ er köpfen, die dritte überlebte ihn. Diese Ehen waren kinderlos. Heinrich starb 1547 mit 56 Jahren, vermutlich an einer Sepsis. Begonnen hatte er, mit 1,80 Meter ein stattli- cher Mann, seine Regentschaft 1509 als edler und gebildeter Ritter, umsichtig und tatkräf- tig. Er umgab sich aus Misstrauen gegenüber dem Hochadel mit bürgerlichen Vertrauten wie Kardinal Wolsey und Kanzler Cromwell, die er aber wie viele andere am Hofe später köpfen ließ. In seinen letzten Lebensjahren war er unansehnlich feist, wog 160 Kilo, hatte eitrige und heftig stinkende Beingeschwüre, war launisch und mit Ende 40 bereits ein al- ter Mann, mal aufbrausend jähzornig, mal apathisch, passend zur progressiv paralyti- schen Spätform der Syphilis (1). Quecksilbervergiftung oder Syphilis? In Russland ähnelt der Werdegang von Iwan IV., dem Schrecklichen (1530 – 1584), dem Heinrichs von England. Auch er begann, als er mit 17 Jahren der erste Fürst mit dem Ti- tel „Zar“ wurde, seine Regentschaft besonnen, volksnah, wenn auch von Anfang an gegen- über seinen Gegnern grausam. Er ordnete die Verwaltung neu, schuf ebenfalls einen Dienst- adel, um den Geburtsadel zu schwächen, hei- ratete sechsmal, starb im Alter von 54 Jahren, vermutlich ebenfalls an der Syphilis. Wohl in seiner Jugend infizierte sich Iwan bei seinen zahlreichen Liebschaften. Seine erste Frau brachte sechs Kinder zur Welt, von denen drei innerhalb der ersten zwei Lebensjahre starben. Einzig der älteste Sohn scheint gesund gewe- sen zu sein, der zweite war geistig behindert. Seine Frau starb 1560, nach Meinung Iwans durch Hexerei, Anlass für ihn, ihre Freunde und Berater hinrichten zu lassen. Aus den späteren Ehen hatte er einen Sohn, der mit 5 Wochen starb, sein letzter Sohn Dmitri wur- de mit 8 Jahren vermutlich ermordet. 1564 wurde er in Begleitung der Zarin und der beiden Söhne mit einigen Schlitten voller Gold, Silber und Juwelen etwa 100 Kilometer vor Moskau aufgefunden, konnte zur Umkehr bewogen werden mit dem Versprechen, dass jeder hingerichtet würde, den er unterwegs als Verräter entlarve, und dass er in Zukunft außerhalb des Kreml wohne und eine Leib- wache von 1.000 Mann erhalte. Bald nach der Rückkehr begannen die „Hinrichtungen“, die Leibwache wurde auf 6.000 Mann verstärkt. Er hielt eine brutale Garde, die „Opritschniki“, die in seinem Auftrag und unter seinen Au- gen bestialische Morde begingen. 1575 trat er vorübergehend zurück, übernahm dann aber 1576 wieder die Regierung. 1581 erschlug er seinen Sohn, den Thronfolger, in einem Tob- suchtsanfall. Übrig blieb als Nachfolger und letzter seiner Dynastie sein geistig behinderter Sohn. Iwans Todesursache ist nicht gesichert. 1963 wurde bei toxikologischer Untersuchung seines Leichnams Quecksilber gefunden, was zum Verdacht auf eine Quecksilbervergiftung führte. Dies passt aber ebenso zu einer behan- delten Syphilis (2, 3). Krankheit wird Kavaliers- accessoire im 17. Jhd. Die Kenntnis von der Ursache der Seuche hatte auf das „Hurenwesen“ in den Heeren kaum einen Einfluss, auch im Privatbereich blieb vieles unverändert, und da die angesehe- neren Prostituierten auch in hohen Häusern, weltlichen wie geistlichen, empfangen wur- Porträt Heinrichs VIII. durch Hans Eworth nach Hans Holbein dem Jüngeren (p. d.) den, eroberte die Syphilis auch die Boudoirs des Adels und der geistlichen Würdenträger. Günstig hierfür war, dass die Syphilis nach der ersten „Durchseuchung“ ihren Verlauf änder- te. Bereits 1546 stellte Fracastoro fest, dass die Krankheit milder verlief, ähnlich wie in Ame- rika. Die Hautveränderungen des zweiten Sta- diums ähnelten den Pocken (Blattern), wur- den daher in Deutschland die „unkeuschen Blattern“ genannt, in Frankreich „grands vé- roles“, im Gegensatz zu den „petits véroles“, den echten Pocken. Schließlich hatten etwa zwei Drittel der Infizierten im Stadium II nur masernähnliche Roseolen. Dadurch verlor die Krankheit ihren Schrecken und wurde im 17. Jahrhundert in den höfischen Kreisen als „Kavaliersaccessoire“ – man hatte „den Fran- zosen“ bzw. in Frankreich „ses fleurs“ – unge- bremst weitergetragen. Das galt auch für die Bordelle, die unter dem scheinbar gutartigen Verlauf wieder aufblühten, zumindest in den Hafenstädten weltweit. Bald hieß es: „Eine Hafenkneipe ohne Dirnen ist so selten wie ein Seemann ohne Syphilis.“ So nahm die Syphilis ihren unaufhaltsamen Lauf um die Welt (1, 2). Auszug aus: „… und hatten die Pest an Bord. Eine Kulturgeschichte der Krankheiten, Seu- chen und Gefahren im Gefolge der Schiff- fahrt“ von Hans Peter Richter-von Arnauld Literaturverzeichnis im Internet unter www.aekhh.de/haeb-lv.html Dr. Hans Peter Richter-von Arnauld Facharzt für Kardiologie E-Mail: richtervarnauld@gmx.de 0 6 | 2 0 2 5 H A M B U R G E R Ä R Z T E B L A T T 37