Hamburg, 6. Dezember 2024. Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg setzt sich für eine adäquate medizinische Behandlung im Krankheitsfall auch ohne Versicherungsschutz ein. In einer Anfang der Woche verabschiedeten Resolution fordert das Ärzteparlament den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg auf, eine gute und umfassende medizinische Versorgung für Menschen ohne Aufenthaltsstatus und ohne Krankenversicherungsschutz zu sichern. „Nach aktuellen Schätzungen leben mehr als 20.000 Menschen ohne Versicherungsschutz in Hamburg. Mit der verabschiedeten Resolution machen wir klar, dass es auch für sie eine grundlegende medizinische Versorgung geben muss. Insbesondere müssen bestehende Hilfsangebote gesichert und Zugangshürden für notwendige Behandlungen abgebaut werden“, so Kammerpräsident Dr. Pedram Emami.
„Die angemessene Gesundheitsversorgung für alle Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe, mit der sich die Politik beschäftigen muss. Ärztinnen und Ärzte übernehmen aufgrund ihres beruflichen Selbstverständnisses oft ehrenamtlich Behandlungen, um den Betroffenen unkompliziert zu helfen. Dafür verdienen sie Respekt und Anerkennung. Das heißt aber nicht, dass die Akteurinnen und Akteure in der Politik weiter wegsehen können“, sagte Kammer-Vizepräsidentin PD Dr. Birgit Wulff.
Die Resolution der Delegiertenversammlung im Wortlaut:
Medizinische Versorgung für alle Menschen sichern
Die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg fordert den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg auf, den Zugang zu einer guten, umfassenden Gesundheitsversorgung im Krankheitsfall für Menschen ohne Aufenthaltsstatus und Menschen ohne Versicherungsschutz zu sichern und zu verbessern. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung führt oft zu verschleppter, verspäteter und unzureichender Behandlung. Bisher verlässt sich die Stadt weitgehend auf niedrigschwellige Hilfs- und Unterstützungsangebote und die Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzte, die Menschen ohne Aufenthaltsstatus bzw. Versicherungsschutz ehrenamtlich behandeln.
Die Stadt Hamburg hat früh erkannt, dass die Zugangsmöglichkeiten zu ärztlicher Versorgung für alle Menschen möglich sein muss und hat sich deshalb bereits 2012 die Gesundheitskarte für Geflüchtete umgesetzt. Auch wenn dadurch nicht der gesamte Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden kann, war dies ein wichtiger Schritt, den immer noch nicht alle Bundesländer vollzogen haben.
Zudem gibt es in Hamburg seit zwölf Jahren die Clearingstelle zur Gesundheitsversorgung von Ausländer:innen ohne Krankenversicherung. Sie wurde freiwillig von der Freien und Hansestadt Hamburg eingerichtet und neben der Vermittlung von medizinischer Versorgung klärt sie den Aufenthaltsstatus oder die mögliche Anbindung an die Regelversorgung. Die Ärztekammer hat die Etablierung der Clearingstelle begrüßt und sie in der Ärzteschaft bekannt gemacht. Sie hält diese Stelle weiterhin für eine notwendige und wichtige Einrichtung, um den Zugang ins Gesundheitssystem für Menschen ohne Krankenversicherung oder Aufenthaltsstatus zu gewährleisten. Von 251 Klient:innen 2012 ist die Beratungszahl 2023 auf 801 gestiegen.
Dennoch gibt es Menschen, die nicht angemessen versorgt werden. Dazu gehören auch Menschen ohne Obdach. Es ist das erklärte Ziel der Ärztekammer, auf Lücken im Hilfesystem für vulnerable, sozioökonomisch benachteiligte Personen aufmerksam zu machen. Es gilt, die Hürden abzubauen, die den Zugang zur medizinischen Behandlung verhindern.
Die Ärztekammer sieht vor allem folgende Problemfelder, für die der Senat – auch der kommenden Legislaturperiode – Lösungen umsetzen sollte:
• Die Ärztekammer hält es für unerlässlich, die Zuwendungen zum Notfallfonds der Clearingstelle dauerhaft dem Bedarf entsprechend aufzustocken und rechtlich sicher zu verankern, genügend Personal bereitzustellen und eine angemessene Vergütung für die ärztliche Behandlung vorzusehen.
• Asylbewerber:innen sollten den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung von Beginn an erhalten. Das reduziert bürokratische Hürden in der Versorgung und führt zu Kostenersparnissen in der Verwaltung.
• Die psychotherapeutische Versorgung kann den bestehenden Bedarf nicht decken. Es gibt Sprachbarrieren und einen Mangel an Therapeut:innen. Dolmetschdienste werden noch in einem unzureichenden Maß genutzt. Es sollten ausreichende finanzielle Mittel dafür bereitgestellt werden.
• Sucht- und abhängigkeitserkrankte Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus erhalten schwerer Zugang zu Substitutionsleistungen.
• EU-Bürger:innen in Deutschland sind grundsätzlich für den Krankheitsfall abgesichert. In prekären Lebensverhältnissen, ohne Arbeit, oft ohne Bleibe, haben sie es besonders schwer, den Versicherungsschutz nachzuweisen oder geltend zu machen. Die Ärztekammer schlägt deshalb vor, niedrigschwellige Möglichkeiten auch für sie zu schaffen und so den Zugang zur notwendigen Versorgung zu ermöglichen.